Alexanders Entdeckungen

Erfahrungen als Rezitator

Während Alexander versuchte, seine Karriere als Rezitator auszubauen, zeigte sich bei seinen Auftritten eine zunehmende Beeinträchtigung durch eine hartnäckige Heiserkeit und eine Tendenz, hörbar die Luft einzusaugen.
Um der Ursache dieser Störungen auf den Grund zu kommen, versuchte er durch eine Kombination von Spiegeln herauszufinden, wie er durch sein Verhalten beim Rezitieren (sein ‘Tun’) diese Schwierigkeiten heraufbeschwor.
Dabei bemerkte er drei Dinge, die er beim lauten Sprechen ausführte:
– er zog den Kopf nach hinten,
– er drückte seinen Kehlkopf herunter,
– er atmete hörbar durch den Mund ein.
Diese Tendenzen zeigten sich später auch beim normalen Sprechen, bloß in geringerem Ausmaß; deshalb hatte er sie zuerst nicht wahrgenommen.
Durch weiteres Experimentieren stellte er fest, dass er bis zu einem gewissen Grad verhindern konnte, den Kopf nach hinten zu ziehen und dies die anderen Beschwerden verhinderte; wenn er den Kopf jedoch zu weit nach vorne bewegte, bewirkte dies wiederum eine Verkürzung des Halses. Damit einher ging eine Tendenz, den Brustkorb zu heben und seine Gestalt zu verkürzen.
Seine Versuche führten zu dem Ergebnis, dass er seine Stimme am besten gebrauchte, wenn er sich aufrichtete, indem er den Spannungszustand in seinem gesamten Körper verbesserte. Dies stand in einer engen Beziehung zur Ausrichtung des Kopfes “nach vorne und oben” in Relation zum Rumpf.

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Der ‘GEBRAUCH DES SELBST’ als ein allgemein menschliches Problem

Durch seine Experimente wurde ihm klar, dass seine Schwierigkeiten mit der Stimme auf einen fehlerhaften ‘Gebrauch’ seines gesamten Organismus zurückzuführen waren und zwar des Geistes wie des Körpers; er prägte dafür den Ausdruck ‘psycho-physischer Mechanismus’.
Ihm wurde bewusst, dass er diese falschen Angewohnheiten nicht nur beim Sprechen sondern auch bei jeder anderen Tätigkeit mit ins Spiel brachte. Sein Wunsch zu rezitieren wie jeder andere Reiz zur Bewegung, brachte unvermeidlich diesen gewohnten, falschen Gebrauch in Funktion. Der Einfluss dieses falschen Gebrauchs war dabei so stark, dass er über jeden Versuch einer Änderung siegte, weil er, als eine Gewohnheit, im Organismus tief verwurzelt war und zumeist unbewusst ablief.
Die Frage nach einer Umerziehung zu einem besseren Gebrauch seiner selbst führte Alexander zu der Beobachtung, dass er seinem Fühlen dabei nicht vertrauen konnte. Denn der alte, gewohnte Gebrauch fühlte sich ‘richtig’ an, der neue, der auf eine bessere Ausrichtung des gesamten Organismus abzielte, dagegen ‘falsch’. Als er seine Ergebnisse an anderen Menschen austestete, merkte er, dass die Tendenz zum falschen Gebrauch und zur Unzuverlässigkeit der Sinneswahrnehmung (dem ‘Fühlen’) ebenso vorhanden war, nur graduell verschieden; so fühlte er sich schon am Rande einer neuen Entdeckung und eines neuen Forschungsgebietes.
Ihm war klar, dass der instinktive Gebrauch, welcher das Verhalten der Tiere bestimmt, beim Menschen nicht mehr ausreicht, er verleitet ihn sogar dazu, das Gegenteil von dem zu tun, was er sich zu tun vorgenommen hatte.
Durch weitere Versuche mit den Spiegeln, gelangte er zu der Überzeugung, die sich später auch als richtig herausstellte, dass er den falschen Gebrauch nur zum Zeitpunkt seines Entstehens verhindern konnte: sobald er einen Impuls, einen Reiz, zu einer Handlung bemerkte, unterband er jede unmittelbare Reaktion darauf, gab sich Anweisungen für einen besseren Gebrauch (die sich ihm in seinen Untersuchungen als die richtigen gezeigt hatten) und während er diese weiterhin bewusst projizierte, die gewünschte oder eine beliebige andere Handlung einleitete.
Nach vielen Misserfolgen gelang es ihm, dass seine bewusste, überlegte Steuerung seines Gebrauchs seine unbewusste, instinktive ersetzte, und ihn so von den Fesseln seiner Gewohnheiten befreite. Die Schwierigkeiten mit seinem Hals und seiner Stimme hörten dadurch ebenfalls auf.

Entwicklung des fehlerhaften Gebrauchs im Rahmen der Evolution

Alexander sah die Ursachen des fehlerhaften Gebrauchs, den er bei den meisten seiner Zeitgenossen beobachtete, verknüpft mit der Evolution des Menschen. In der vorzivilisatorischen Zeit des Menschen erachtete er deren Gewohnheiten im Einklang mit ihrem Leben; der Mensch konnte sich bei der Verrichtung seiner täglichen Arbeit auf seine instinktive Führung, die er mit den Tieren gemeinsam hat, verlassen. Sie war seinem statischen Leben angepasst. Durch die rasante Entwicklung der technischen Seite seiner Existenz war er gezwungen, seine Muskeln in einer neuen Art zu gebrauchen, z.B. indem er mechanisch dieselbe Handlung wiederholen musste, oder in einer Arbeit, die weit entfernt war von einer Arbeit in ländlichen Regionen.
Auf die unbewusste Führung konnte er sich nicht mehr verlassen und seine einstmals der Situation angepassten Gewohnheiten führten ihn zu einer Verschlechterung seines körperlichen Zustandes. Alexander erkannte, durch seine Experimente angeleitet, dass der einzige Weg aus diesem Widerspruch zwischen Umweltansprüchen und menschlichen Fähigkeiten über die bewusste Führung und Kontrolle seiner Gewohnheiten führte. Bei der Entwicklung eines neuen Verhaltens konnte er sich nur auf seine Vernunft verlassen, die er mit unendlichen Möglichkeiten ausgestattet sah.